29. SONNTAG im Jahreskreis

Evangelium nach Lukas (18,1-8)

 

Was will Jesus uns, Ihnen und mir, im heutigen Evangelium sagen? Im ersten Augenblick scheint es klar zu sein: Wenn schon ein korrupter und skrupelloser Richter einer armen Frau (die ihm eigentlich gleichgültig ist) zu ihrem Recht verhilft, nur weil er seine Ruhe haben will - sollte Gott das dann nicht für uns tun, da er uns liebt? Und kommt es nur darauf an, dass wir - wie diese Witwe - Gott inständig und hartnäckig genug darum bitten?

Wie gehen wir aber mit Gott um? Sollen wir ihn mit unseren Bitten lästig bedrängen? Gott fügt sich doch nicht unseren (nicht selten kleinlichen) Wünschen und Anliegen, auch nicht, wenn wir ihm pausenlos in den Ohren liegen! Sollen wir ihn mit unseren unaufhörlichen Bitten „erpressen“? Was wäre das für ein Gott, der sich erpressen lässt? Und was heißt hier: „Er wird uns dann zu unserem Recht verhelfen“? Tut Gott das wirklich? Greift er wirklich ein, um unsere Wünsche zu erfüllen? Tut er dafür Wunder? Hört man nicht oft Menschen sagen: „Ich habe Gott so oft gebeten, er soll meinen Mann, meine Frau, mein Kind wieder gesund machen, aber er hat mich nicht erhört! Hört er mich überhaupt? Hat es dann einen Sinn, Gott um etwas zu bitten?“

Andererseits hat Jesus doch gesagt, wir sollen nicht viele Worte machen, nicht „plappern wie die Heiden“, denn Gott weiß, was wir brauchen, noch ehe wir ihn bitten (vgl. Mt 6,7f). Was meint Jesus dann, wenn er sagt, wir sollen beharrlich und unaufhörlich Gott bitten?

Wir dürfen nicht vergessen: Lukas hat sein Evangelium für konkrete Menschen, für eine christliche Gemeinde geschrieben. Es waren Christen, die es nicht leicht hatten: Eine kleine Minderheit, die oft angefeindet wurde, irgendwie rechtlos, ohne Einfluss ... so wie die Witwe. Stehen sie mit ihrem Glauben an Jesus nicht am Rande, sind sie für die Gesellschaft nicht unbedeutend, nicht ernstgenommen? Will Lukas sie nicht ermuntern in ihrem Glauben hartnäckig zu bleiben, nicht aufzugeben, mit Jesus und mit Gott in Verbindung zu bleiben und sich für sein Reich in dieser Welt einzusetzen, allen Widerständen und Widersachern zum Trotz? Sollen sie nicht beharrlich einen intensiven, dauerhaften Kontakt mit Gott suchen, mit ihm in einer lebendigen Beziehung bleiben, also immer wieder beten, sich bewusst an Gott wenden? Nur so können sie ihre Mutlosigkeit bekämpfen und Gott treu bleiben.

Nur so kann Gott auch seinen Heilsplan in dieser Welt durchsetzen, obwohl das zunächst nicht den Anschein hat. Sie sollen sich Gott im Gebet anvertrauen, so wie ich mich einem Freund/einer Freundin voll Vertrauen anvertraue, mit meinen Sorgen und Problemen, ohne von ihm/ihr zu erwarten oder sogar zu fordern, dass er/sie diese Probleme für mich löst. Aber das tut gut, hilft mir unter Umständen meine Probleme anders zu betrachten und dadurch leichter eine Lösung zu finden. Ist es nicht das, was geschieht, wenn wir uns Gott anvertrauen, beten? Und schenkt Gott uns dann nicht die notwendige innere Kraft, die wir brauchen um selbst zu handeln?

Lukas verweist seine Gemeinde auf die Worte von Jesus, damit sie in ihrer Situation Zuversicht schöpfen, beharrlich sind, durchhalten, sich nicht entmutigen lassen, und mit Ausdauer den Kontakt mit Gott suchen, unablässig offen für Gottes Gegenwart in ihrem Leben und in ihrer Welt. Gott ist Vater der Bedrängten und Armen, die nicht aufhören zu ihm zu rufen. Das will Jesus mit seinen Worten bewirken.

Es sind ja meistens die Ermüdungser-scheinungen des Glaubens, die zur Vernachlässigung des Gebetes führen und dadurch die Beziehung zu Gott schwächen. Die Beharrlichkeit im Beten setzt ein Stück Vertrauen in Gott voraus.

Vielleicht erkennen wir uns in der Situation der christlichen Gemeinde von Lukas wieder? Spricht Jesus seine Worte auch nicht zu uns?

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